Aktion „Bunte Stühle gegen Rassismus“ setzt sichtbare Zeichen

Für Vielfalt und gegen Alltagsrassismus:

„Gegen Rassismus– Für Vielfalt- – Mach mit“ war das auffordernde Motto einer beachtenswerten Aktion der Engagierten Stadt Wetzlar /Vielfaltsgestalter seit März des Jahres.

Sie nahmen diese Devise als Aufhänger innerhalb der jährlich stattfindenden „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ und nutzten ihn als Impuls für ihre Aktion „Bunte Stühle gegen Rassismus“. Als Eye-Catcher fanden 80 Bunte Stühle verteilt in der Stadt Wetzlar an prägnanten Stellen wie Bushaltestellen der Linien 11 und 12, Einkaufsstraßen, in Fußgängerzonen, dauerhaft im Rathaus und im Kreishaus, in Nachbarschaftszentren, in Kirche und Diakonie sowie in Schulen koordiniert vom Freiwilligenzentrum (FWZ) ihren Platz und große Aufmerksamkeit.

Finanziert konnte die Aktion werden zu gleichen Teilen vom Freiwilligenzentrum (FWZ) und dem Förderprogramm „Demokratie leben“. Intensiv mit dem Thema Alltagsrassismus auseinandergesetzt wurde sich durch 18 teilnehmende Organisationen von der Kita über die Grundschule, das Jugendforum, den Evangelischen Kirchenkreis an Lahn und Dill („Unser Kreuz hat keine Haken“). Der Stuhl des Kirchenkreises wurde von Sabine Schäfer und Team aus der Kirchengemeinde Burgsolms gestaltet. Mit der WALI, der Suchthilfe bis hin zur Demenz-Tagespflege der AWO waren insgesamt 93 aktive Personen vom Grundschul- bis ins Seniorenalter mit der einfallsreichen und ausdrucksvollen Gestaltung in Schrift und Bild beteiligt.

Oft war der Gestaltung ein Auseinandersetzen mit dem Thema vorausgegangen: Beispielsweise beschäftigten sich Kindergartengruppen zunächst mit entsprechenden Bilderbüchern, setzten sich kindgerecht mit dem Thema auseinander und gestalteten dann die Stühle. Die von der Wetzlarer Arbeitsloseninitiative betreuten Teilnehmenden produzierten spontan ein Video zum Thema Vielfalt. Die August-Bebel-Schule organisierte eine schulinterne Aktion, stellte Stühle auf dem Pausenhof auf und lud Schüler:innen zu Gesprächen rund um Alltagsrassismus und Vielfalt ein. Andere wiederum (Kindergärten, Lotteschule, Lebenshilfe, Suchthilfe etc.) veranstalteten Stadtralleys und machten sich auf die Suche nach Bunten Stühlen. So wurde auf spielerische Weise die Auseinandersetzung mit dem Thema Alltagsrassismus angestoßen und gefördert.

Einer der Liebhaber und Unterstützer der Aktion gegen Rassismus ist der 46- jährige Murat Kaya, seit 41 Jahren in Deutschland und neuer Besitzer des ehemaligen Café Franz an der Alten Lahnbrücke.  „Gemeinsam mit meiner Familie und meinen Mitarbeitenden unterstütze ich die Aktion, damit sie mit diesem Motto weiterhin nicht zu übersehen ist. Auch wir als Ausländer werben bewusst dafür, dass sich andere dafür stark machen“, betont er. So hat er seinem Schwager bei dessen Restaurant Roca in der Frankfurter Straße von der Aktion berichtet und der hatte gleich einen besonders auffällig gestalteten Stuhl der Gruppe Würdekompass vor seinem Ladenlokal aufgestellt und wird immer wieder darauf positiv angesprochen. Murat Kaya hatte auf sich schon in 2020 aufmerksam gemacht, als er im Winter 2020/21 obdachlosen Menschen in seinem Gießener Hotel in 30 Zimmern Obdach und Verpflegung bot. Dort und in seinem neuen Wetzlarer Restaurant soll künftig immer ein solcher Anti-Rassismus-Stuhl stehen.

Kein Stuhl wurde beschädigt und ein Fall der Zivilcourage

„Kein Stuhl ist absichtlich zerstört worden; lediglich zwei Stühle fanden offenbar Liebhaber:innen und sind spurlos verschwunden“, freut sich Karin Buchner vom FWZ mit ihrem Team. „Es gab aber einen öffentlichen Fall der Zivilcourage“, berichtet Buchner weiter als Antwort auf einen Fall von Alltagsrassismus, der gezeigt hat, wie präsent und aktuell das Thema und wie wichtig daher die Aktion ist: An einem vietnamesischen Imbiss in Wetzlar in der Bahnhofstraße wurde ein handgeschriebener Zettel mit rassistischen Aussagen und Bedrohungen angebracht. Der Inhaber wurde auch nachts verfolgt und fand eine ähnliche Bedrohung an seiner privaten Haustür. Die Firma Tom & Sallys machte das öffentlich und zeigte Solidarität – auch, indem sie bis heute einen Bunten Stuhl beherbergen.

War die Aktion lediglich für den Zeitraum der Internationalen Wochen gegen Rassismus gedacht (15 bis 27. März), bleiben viele Stühle bis heute stehen, wandern durch die Stadt und finden jetzt Schritt für Schritt ein dauerhaftes Zuhause. „Zudem werden sie von den Menschen als Sitzgelegenheit genutzt, was wir als sehr positives Signal werten“, freut sich Chantal Meier vom NBZ Niedergirmes. Und weiter: „Bei der Anbringung der Stühle an den Bushaltestellen entstanden viele Gespräche: Passanten wollten mehr über die Aktion wissen und berichteten teilweise von eigenen Diskriminierungserfahrungen. Einhellig wurde die Aktion begrüßt und sehr positiv bewertet.

3000 Menschen wurden auf die Aktion in Sozialen Medien aufmerksam und reagierten mit entsprechenden Likes. Auch landesweit fanden die Bunten Stühle Aufmerksamkeit: RTL Hessen berichtete darüber in einem vierminütigen Fernsehbeitrag und die Hessische Staatskanzlei zeichnete das Projekt als Wochengewinner der Aktion „Mein Ehrenamt – Mein Moment“ aus. Weiterhin wurde die Aktion für den Integrationspreis 2021 des Lahn-Dill-Kreises nominiert. Aus dem bayerischen Deggendorf kam die Anfrage, ob das Vorhaben kopiert werden dürfe. Und beim Champions Cup Finale der Rollstuhlbasketballer war ein Bunter Stuhl im Live Stream unmittelbar hinter dem Cup zu sehen.

Eine erfreuliche Konsequenz konnte die Lotteschule verzeichnen: Sie hatte sich – inspiriert durch die gemeinsam formulierte Vielfaltserklärung und die Aktion der Bunten Stühle – auf den Weg gemacht , im Bundesprogramm „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ mitzuwirken und kontinuierlich und sichtbar mit Eltern, Schüler- und Lehrerschaft gegen Ausgrenzung und Alltagsrassismus einzutreten. Und ist damit erfolgreich gewesen! Weitere Infos zur Aktion unter info@freiwilligenzentrum-mittelhessen.de

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Murat Kaya ist beeindruckt von den Stühlen im Haus der Kirche und Diakonie. Dort ist u.a. zu lesen „Unser Kreuz hat keine Haken“ und wurde von Sabine Schäfer und Team aus der Kirchengemeinde Burgsolms gestaltet.